Ich hab mich neulich bei Jodel angemeldet. Jodel ist eine Online- Platform, auf der man sich anonym mit der Community über alles mögliche austauschen kann, ohne mit einer Profilbeschreibung in der Öffentlichkeit zu stehen.
Eigentlich wollte ich nur herumfragen, ob jemand Interesse an einem Tanzkurs hat, doch ich bin hängengeblieben denn die Threads und Themen dort sind mehr als interessant.
Oftmals geht es um Dating, Beziehungsfragen, Politik und Haushaltslösungen. Dann gibt es Beiträge wie:
„M27 hier. Hat mal eine vernünftige W Lust was zu unternehmen?“
„Gibt es in Lingen im Joker Verzehrkarten? Ich war schon ewig nicht mehr dort.“
„Was tun bei gebrochenem Herzen und anstehenden Depressionen wenn man niemanden mehr hat mit dem man reden kann?“
„Man wird immer aufs Neue enttäuscht. Hab ich mit einem Mädel verabredet und sie ist nicht gekommen. Das macht mich so fertig. Das Interesse muss immer vom Mann kommen. Einfach keinen Bock mehr…“
„Wie kommt man eigentlich auf die Idee links/rechts zu wählen? Sehen die nicht dass das keinen Sinn hat was die da von sich geben?“
Die meisten Posts sind gut gemeint und die Intention ist oft nicht schlecht. In anderen Threads geht es richtig zur Sache und der Ton ist um einiges schärfer. Die Schreibenden werden verbissen und aggressiv. Besonders wenn es um spezielle Themen geht. Warum ist das so und warum enden bestimmte Themen immer wieder schnell in Hass, Frust und Unzufriedenheit? Ist das eine Frage der Perspektive?
In der Politik und in politischen Threads geht es schnell harsch zu: Die „bösen Linken“, „schlechten“ Rechten, „Wie kann man nur so blöd sein?“. Viele schauen auf ihre eigenen Teller und keiner ist bereit einen Schritt auf die andere Seite zu zugehen.
Anstatt zu sagen „Es gibt Menschen, die sind einer anderen Meinung“ heißt es „Die anderen sind schlecht, schuld, böse, dumm“.
In Beziehungsfragen wird der andere „Arschloch“, „Narzisst“, „Bitch“ oder sonstiges genannt.
Es ist so, als wenn man mit Scheuklappen durch die Welt geht und alles verurteilt, was nicht in die eigene Welt gehört.
In den sozialen Medien geht es vor allem bei Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Religion und Feminismus, die für Verbissenheit und Streit sorgen. Auch Darstellungen zum Israel- Konflikt, Maßnahmen der Politik, Klimawandel, Beziehungsfragen oder vermeitliche Kleinigkeiten haben schnell eine vergleichbare Wirkung. Probleme werden zusammen mit einfachen Lösungen dargestellt, wobei jene – wenn man sie genauer und von mehreren Seiten betrachtet – im Allgemeinen nicht wirklich einfach zu lösen sind. Auch lässt sich die Frage stellen: Sind es überhaupt Probleme?
Das was all jene Beiträge gemeinsam haben ist eine Art Ideologie, die wie eine Religion alles heiligt, was dafür ist – und schlecht redet, was sich damit nicht identifizieren kann. Eine Ideologie erzeugt eine Gegen- Ideologie und dann geht es besonders heiß her.
Wie auch immer man zu den Themen steht, bleibt erst mal ruhig. Leben und Leben lassen. Ein Richtig oder Falsch ist schwer zu finden. In den Thesen und Gegenthesen steckt zwar mehr und mal weniger Wahrheit, doch die vermeidlich einfachen Lösungen führen selten wie gedacht zum Ziel – eher zu Unzufriedenheit und Stress aller Beteiligten. Da wo Lösungen möglich sind: Redet miteinander. Da wo das Problem kein Problem ist – nimmt es nicht so ernst. Ich könnte mich stundenlang über den Klimawandel, die Inkompezenz bestimmter Politiker, die tolle Berichterstattung der Bild aufregen. Hilft mir das weiter?
Ideologien wollen andere von der eigenen Richtigkeit zu überzeugen und sie nutzen verschiedenste Methoden, um ihre Aussage zu bekunden. Andere Meinungen können genauso richtig sein. Bevor wir uns einmischen sollten wir erst einmal eins: Zuhören. Und dann: Hinterfragen. Gefährlich wird es, wenn Ideologien extrem werden. Je extremer sie sind, desto mehr Frust erzeugen sie. Ideolologien sorgen dafür, dass Menschen mit tiefen Scheuklappen durch die Welt gehen und auf ihrer Sichtweise beharren und nicht mehr miteinander reden können.
Im Zweifel ist immer das ideologisch, was einem nicht passt.
Ja, auch ich bin durch irgendeine Art von Ideologie geprägt. Alleine durch die Erziehung, meinen Erfahrungen und meinen Begegnungen bin ich in irgendeiner Weise beeinflusst. Doch das ist es kein Freifahrtsschein. Es geht darum, nicht sofort alles glauben, anderen zuhören und mir selbst einzugestehen, dass ich häufig auch nicht richtig liege. Ich habe in den vergangenen Jahren oft Erfahrungen gemacht und meine Sichtweise dementsprechend angepasst. Diese Website ist ein Ausdruck davon. Ich möchte darüber schreiben, was mich beschäftigt und wenn du da etwas hinzuzufügen oder eine Meinung zu dem Thema hast sprich gerne mich an oder nutze das Kommentarfeld.
Jodel habe ich mich mittlerweile wieder deinstalliert. Zu groß ist die Ablenkung von den Dingen, die ich lieber mache und die mir viel mehr Spaß bereiten. Bleibt munter und fallt nicht auf die Tiefen des Internets rein. Haltet die Ohren steif, oder was auch immer 😉